Mit uns ins 3. Jahrtausend
Dies war der Slogan für unseren ersten Folder der neu geplanten HTL3R am Rennweg 89b, 1030 Wien, damals kurz vor unserem Umzug.
Doch wer verbarg sich hinter „uns“? Es war die „kleine, feine HTL Wien 4“ in der Argentinierstraße 11, 1040 Wien damit gemeint. Die kleine Schule war in Wien ein Geheimtipp. Als kleinste HTL Wiens beherbergte sie die Zweige Elektrotechnik und Maschinenbau. Zur Zeit der Übersiedlung arbeiteten ca. 40 Lehrer/innen und besuchten 280 Schüler/innen, davon 8 Mädchen, die Schule.
Als ich 1997 an diese Schule gerufen wurde, war ich begeistert. Man musste sich einfach wohlfühlen. Direktor Dipl.-Ing. Mag. Dr. Martin Weissenböck und seine Abteilungsvorstände Dipl.-Ing. Dr. techn. Walter Clarence Haasler und Dipl.- Ing. Norbert Petry hießen mich herzlichst willkommen. Empathie war sofort vorhanden, schließlich hatte ich drei Jahre ums finanzielle Überleben gekämpft und war froh, endlich ersehnte, meiner Ausbildung entsprechende Stunden, zu bekommen.
Als gebürtige Wienerin war mir diese Schule unbekannt, obwohl im Herzen Wiens, gleich hinter der Karlskirche gelegen. Diese Schule war etwas Besonderes, doch von der Straße aus kaum zu erkennen. Sie bestand aus einem Haupthaus direkt an der Argentinierstraße gelegen und einem Hinterhaus.
In diesem Vorderhaus befanden sich die Räume der Verwaltung, der Chemiesaal, das Konferenzzimmer und zwei, drei Klassenräume. Durch den begrünten Hof mit alten, riesigen Bäumen gelangte man ins Hinterhaus. Dort waren die Lehrer-, und restlichen Klassenzimmer untergebracht. Die Werkstätten waren ebenerdig und hatten ebenfalls Ausgänge in den Hof. Ein weiterer, wunderschöner mit Pfingstrosen und Bäumen bepflanzter Hof, hinter dem zweiten Gebäude, bildete eine grüne Oase im Großstadtdschungel. Er war frei von Autos und wunderschön.
Eigentlich wollte ich nicht weg von dieser Schule, obwohl die Fenster klirrten und man bei jedem Wetter durch den Hof ins Vorderhaus gehen musste. Im Winter konnte dies schon kalt und nass sein. Es war dennoch alles so heimelig, das kleine Kollegium und die Schüler. Man kannte einander und begegnete einander mit Respekt. Es waren unbeschwerte, glückliche Zeiten, ich fühlte mich zu Hause und endlich angekommen.
Bald erfuhr ich von der geplanten Übersiedlung an den Rennweg. Die Pläne dazu hingen schon im Konferenzzimmer, und bei jeder Konferenz gab es Neuigkeiten über den Baufortschritt des Schulgebäudes. So unternahmen wir, d.h. ein Grüppchen Lehrer, auch eine Erkundung und besuchten die Baustelle, ganz offiziell mit Helmen etc. Mir erschien alles so riesig und kalt. Die Verbindung vom Werkstättentrakt durch die Aula zum Theoriegebäude war aber perfekt geglückt. Durch die Bögen fühlte man sich fast in die Renaissance versetzt.
Der Bau schritt voran und die Übersiedlung nahte. Im Sommer 2000 sollte die Übersiedlung, früher als ursprünglich geplant, über die Bühne gehen. Material wurde in Kartons gepackt, Möbel mit einem Pickerl zur Überstellung versehen und Berge von Müll häuften sich in der Mulde im ersten Schulhof. Niemand von uns war zuvor mit einer Schule übersiedelt, und wir hatten alle keine Ahnung, was auf uns zukommen würde. Das Schuljahr 1999/2000 endete mit einer Feier, d.h. mit einem Abschlussfest im Schulhof. Nach nur zweijähriger Bauzeit wurde die alte Schule im Sommer 2000 übersiedelt.
Im Sommer 2000 besuchte ich das neue Gebäude am Rennweg, um zu Schulanfang die Orientierung zu behalten. Überall wurde gearbeitet, und die Schilder mit dem Schriftzug „Baustelle, betreten verboten“ prangten an vielen Türen. Wie sollte da alles bis September fertig werden?
Anfang September war es dann soweit. Der erste Schultag brach heran, und ich machte mich auf den Weg. Das neue Gebäude wirkte hell und freundlich. Im Kustodiatsraum waren die neuen Möbel angekommen, soweit passte alles. Als Klassenvorstand startete ich los in meine Klasse. Tische, Sessel und auch Schüler waren vorhanden. Es fehlte nur eine Kleinigkeit, die Tafeln!!! Rückwirkend betrachtet, kann ich heute nur mehr darüber lächeln. Damals aber war es ein Problem, zumindest am ersten Schultag. Improvisation war angesagt, mit Overheadprojektor und Flip Chart! So nach und nach verschwanden die Arbeiter, die Tafeln wurden geliefert und neue Schüler und Lehrer/innen eroberten den Raum. Inzwischen arbeiten hier 125 Lehrer/innen und 1044 Schüler/innen. Die Abteilungen wurden geändert, d.h. die alten Fachrichtungen liefen aus und die Abteilungen Mechatronik und IT, vorerst EDV, wurden gegründet. Auch eine Fachschule für IT wurde eröffnet.
Am 15.12.2000 fand die offizielle Eröffnungsfeier in der Aula der Schule mit geladenen Gästen aus dem Bildungsministerium und Vertretern des Stadtschulrats für Wien statt.
All das ist nun schon 20 Jahre her und ein Großteil der Kolleginnen und Kollegen ist längst im Ruhestand, aber auch Schüler und Schülerinnen sind gekommen und gegangen. Am Tag der offenen Tür besuchen uns oft ehemalige Absolventen/innen. Mit leuchtenden Augen berichten sie dann von Schikurserlebnissen, Exkursionen, Outdoortagen, Reisen, Betriebsbesichtigungen, Matura, Scherzen gegenüber Lehrern und von der angenehmen und schönen Zeit am Rennweg. Heute sind sie dankbar und wissen ihre Ausbildung zu schätzen.
Auch wir Lehrer/ innen sind uns sehr wohl über die Vorzüge unserer Schüler/innen bewusst, die bodenständig und natürlich sind.
Uns allen wünsche ich für die Zukunft weiterhin viel Erfolg und Freude beim gemeinsamen Arbeiten.
Mag. Claudia Redl
Früher Waisenhaus, heute Lehranstalt
Das Waisenhaus
1742 errichtete der Fabrikant Kienmayer neben seiner Seidenfabrik am Rennweg ein Waisenhaus. Ursprünglich für 20 Mädchen gedacht, stieg die Zahl der Waisen innerhalb von 20 Jahren auf 300. Da die Verhältnisse, unter denen die Kinder leben und in Kienmayers Fabrik arbeiten mussten, so prekär waren, ließ Kaiserin Maria Theresia das Waisenhaus in eine öffentliche Einrichtung umwandeln. Die Leitung übertrug sie dem Jesuitenpater Ignaz Parhamer.
Das Gebäude wurde umgebaut und um eine Kirche erweitert. Man kümmerte sich nun um das Wohl der Kinder und so wurden aus Gratisarbeitern wohlerzogene Bürger. Doch Parhamers Erziehungsstil hatte es in sich. Der Tag unterlag einem straffen Ablauf: 04:30 Uhr aufstehen, dann Messe, Unterricht und schließlich Bettruhe um 19:00 Uhr. Der Sonntag stand ganz im Zeichen Gottes. Berühmt berüchtigt war der militärische Drill, dem die Knaben zwischen sechs und sechzehn Jahren ausgesetzt waren, sodass der Pater den Beinamen „Kindergeneral“ erhielt. Die Burschen mussten, bewaffnet mit Musketen, Säbeln und Bajonetten, exerzieren. Dieser Erziehungsstil erhielt so viel Zuspruch und Bewunderung, dass nicht nur Kaiserin Maria Theresia selbst drei ihrer Söhne bei Parhamer militärisch ausbilden ließ. Auch Söhne aus wohlhabenden Familien mussten durch die harte Schule des Paters. Das Waisenhaus am Rennweg galt als fortschrittliche Institution!
1785 wurde das Waisenhaus von Kaiser Joseph II dann aufgelöst und das Areal zur Artilleriekaserne umgebaut. Später wurde das Gelände von der Gendarmerie genutzt, ehe dann in den 1990er Jahren große Teile des Geländes veräußert und niedergerissen wurden. Erhalten blieb jedoch die nach Entwürfen von Eduard van der Nüll und August Siccardsburg errichtete Reithalle, die von 1996 bis 1997 in eine Sporthalle mit angrenzenden Außersportanlagen umgebaut wurde.
Die Lehranstalt
Am 15.12.2000 erfolgte die offizielle Eröffnung der Höheren Technischen Bundeslehranstalt Rennweg und Dr. Martin Weissenböck führte in seiner gewohnt besonnen Art die Leitung der Schule am neuen Standort fort. Doch als auch für ihn der wohlverdiente Ruhestand nicht mehr abwendbar war, wurde das Zepter Mag. Silvia Hlatky überreicht und nun, 2020, hält es DI Gerhard Jüngling in Händen.
Im 18. Jahrhundert wurde also im Wiener Waisenhaus am Rennweg unter der Leitung von Jesuitenpater Ignaz Parhamer exerziert, gekämpft und gedrillt. Im 21. Jahrhundert wird an der HTL Rennweg unter der Leitung von DI Gerhard Jüngling nicht mehr exerziert und schon gar nicht mehr gekämpft. Oder vielleicht doch? Ein bisschen? Um gute Noten? Und ein wenig Drill steckt, wenn man Gerüchten Glauben schenken darf, hinter der einen oder anderen Unterrichtseinheit vielleicht ja doch. Aber wie heißt es so schön: „Ohne Fleiß, kein Preis.“ Und Preise, die unsere Schüler*innen erzielen, gibt es viele. Ja, und Auszeichnungen. Woran das liegen mag? Vielleicht an den engagierten Lehrer*innen und den motivierten Schüler*innen? Am respektvollen Umgang miteinander? Am Zusammenspiel von Schulleitung, Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern? Oder am geschichtsträchtigen Areal oder gar an der hellen, freundlichen Glasfassade im Eingangsbereich? Wir wissen es nicht, nicht so genau.
Priska Zoisl
Quelle: www.meinbezirk.at/landstrasse/c-lokales/der-kindergeneral-in-der-waisenhauskirche-am-rennweg_a2392026
Ein persönlicher Rückblick
September 2000 – die Ära Argentinierstraße ist endgültig Geschichte, nach 23 Jahren als Lehrerin an dieser kleinen, gemütlichen HTL bin ich nun Teil des Lehrkörpers an der HTL Rennweg. Mein Herz hängt noch an der – in jeglicher Hinsicht – alten Schule, mein Verstand sagt mir, Schule muss sich verändern, offen sein für Neues usw…
Die kleine, für viele unbekannte, HTL explodierte förmlich in den nächsten Jahren: als ich 1977 als Sondervertragslehrer Deutsch und Englisch zu unterrichten begann, gab es 2 EnglischlehrerInnen, als ich 2018 in Pension ging, waren wir zu elft.
Trotzdem haben wir es irgendwie geschafft, das Besondere unserer alten Schule auch am Rennweg zu erhalten: das Persönliche, Individuelle, diese spezielle Wohlfühlatmosphäre konnten wir als unser Markenzeichen am neuen Standort beibehalten.
Neben meiner Tätigkeit als Deutsch- und Englischlehrerin fungierte ich ein paar Jahre als Personalvertreterin, ich war Bildungsberaterin und bis zum Eintritt in den Ruhestand Fachkoordinatorin für Englisch.
In all den Jahren bemühte ich mich stets, zusätzlich zum Unterricht Extras anzubieten. Gerade im technischen Schulwesen erachte ich Kunst, Kultur, Reisen als notwendig, um keine „Fachidioten“ zu erziehen. Dank meiner überaus aufgeschlossenen Vorgesetzten wurde mir nie ein Stein in den Weg gelegt, und so konnte ich unzählige Theateraufführungen mit SchülerInnen besuchen, in Museen oder Ausstellungen gehen, interessante Menschen zu Vorträgen an die HTL holen (z.B. „ZIB macht Schule“, Astronauten der Raumstation MIR usw.) und etliche Auslandsreisen unternehmen (New York, London, Paris, Rom, Florenz, München).
Diese Unternehmungen haben nicht nur den Horizont unserer SchülerInnen erweitert, sie haben auch dazu beigetragen, den Teamgeist der HTL Rennweg zu fördern und das Verhältnis der SchülerInnen untereinander, aber auch zwischen LehrerInnen und SchülerInnen zu festigen.
Einer der Höhepunkte meiner Laufbahn an dieser Schule war unbestritten meine Zeit als interimistische Schulleiterin. Als Direktor Weissenböck in Pension ging, übernahm ich für zwei Monate von ihm die Leitung der Schule, um sie dann schließlich dem neu ernannten Direktor, Herrn D.I. Jüngling, zu übergeben.
Diese Aufgabe erfüllte mich mit Stolz und Demut. Sie führte mir die „andere“ Seite vor Augen, zeigte mir, wieviel Verantwortung man in dieser Position für unzählige Menschen hat, aber vor allem erkannte ich auch, wie schön es ist, ein eingeschworenes Team hinter sich zu haben: die Abteilungsvorstände, der Werkstättenleiter, die Kanzleileiterin und die Sekretärinnen, aber auch alle anderen MitarbeiterInnen haben mich tatkräftig unterstützt! Dank an alle!
Ich bin mit etwas Wehmut und unendlich viel Dankbarkeit in den Ruhestand gewechselt – die Zeit am „Rennweg“ war erfüllend, und ich schätze mich glücklich, so viele schöne Momente mit SchülerInnen, KollegInnen, Eltern erlebt haben zu dürfen.
Silvia Hlatky